Täuschung, Anwerbegebühren, Elend und Ausbeutung
Um sich einen Arbeitsplatz bei Amazon in Saudi-Arabien zu sichern, zahlten die Befragten, mit einer Ausnahme, durchschnittlich 1.500 US-Dollar an Personalvermittlungen in Nepal. Einige nahmen hochverzinste Kredite auf, um die Gebühren zu bezahlen. Während des Anwerbungsprozesses täuschten die Agenturen, manchmal in Absprache mit den saudi-arabischen Arbeitsvermittler*innen, viele der Arbeiter*innen und ließen sie in dem Glauben, sie würden direkt von Amazon angestellt.
Einer der Befragten, Bibek, sagte: "Ich habe erst am Tag des Fluges gemerkt, dass es sich um ein anderes Unternehmen handelt. Ich sah, dass auf meinem Pass 'Al Basmah Co.' stand, aber der Agent sagte: 'Keine Sorge, das ist eine Filiale von Amazon'."
In Saudi-Arabien waren die Arbeiter*innen meist monatelang in schmutzigen und überfüllten Unterkünften untergebracht. Ein Teil ihrer Löhne und/oder Essenszuschüsse wurden von den Arbeitsvermittler*innen oft ohne Erklärung einbehalten, Überstunden zu gering bezahlt. In den Lagerhallen mussten die Beschäftigten nach eigenen Angaben wiederholt sehr schwere Gegenstände heben, sie mussten strenge Leistungsvorgaben erfüllen, wurden ständig überwacht und durften sich nicht ausreichend ausruhen. In einigen Fällen führte dies zu Verletzungen und Krankheiten.
Die meisten Arbeitskräfte unterzeichneten Zweijahresverträge mit den Arbeitsvermittlungsunternehmen, aber viele verbrachten weniger als 12 Monate in den Einrichtungen von Amazon, bevor das Arbeitsverhältnis endete, was einige mit einer "Entlassung" verglichen. Die Arbeitsvermittlungsunternehmen brachten diese "Arbeitslosen" dann in noch schlechteren Unterkünften unter und stellten die Lohn- und in einigen Fällen auch die Essensgeldzahlungen ein. Ohne jegliche soziale Absicherung oder Unterstützung durch den saudischen Staat überlebten einige von ihnen mit Brot, Salz und salzigem Wasser.
Gefangen in Saudi-Arabien
Die meisten Befragten erhielten keine Arbeit mehr, aber die Auftragnehmer*innen nutzten das saudi-arabische Sponsorensystem (Kafala), das trotz einiger Reformen in jüngster Zeit ausländische Arbeitnehmer*innen an ihre Arbeitgeber*innen bindet und sie daran hindert, den Arbeitsplatz ohne Zustimmung der*s Arbeitgebers*in zu wechseln, und ihre Möglichkeiten einschränkt, das Land frei zu verlassen.
Viele der Arbeitsmigrant*innen wollten vor Ablauf ihres Vertrags nach Hause zurückkehren, aber die Verantwortlichen von Al-Mutairi wollten die Flugtickets trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht kaufen und verhängten für die Erstellung der Ausreisepapiere eine "Strafe" zwischen 1.330 und 1.600 US-Dollar. Infolgedessen saßen die Arbeiter*innen unter entsetzlichen Bedingungen fest.
Amazons Versäumnisse
Die Gefährdung von Arbeitsmigrant*innen in Saudi-Arabien war bereits gut dokumentiert, bevor Amazon 2020 dort tätig wurde, und wurde auch in einer 2021 durchgeführten Amazon-Risikobewertung festgehalten. Mit anderen Worten: Das Unternehmen wusste über das hohe Risiko von Arbeitsmissbrauch in dem Land Bescheid. Auch wurden von Beginn weg Beschwerden über die Missstände von den Arbeitnehmer*innen an das Unternehmen herangetragen, die allerdings oft ignoriert wurden.
Ein Arbeiter, Kiran, sagte: "Amazon kennt jedes einzelne Problem, das wir mit der Lieferfirma haben." Einige Arbeiter*innen, die sich bei Amazon beschwerten, waren Repressalien seitens der Zulieferer ausgesetzt. Einer sagte, dass Gehälter abgezogen wurden, nachdem er sich bei Amazon über seine Lebensbedingungen beschwert hatte. Ein anderer, der sich bei Amazon über die Wasserqualität in den Unterkünften beschwerte, sagte, er sei in ein Büro der Zuliefererfirma gebracht und von einem Al-Mutairi-Aufseher geohrfeigt worden. Als er anschließend einen Amazon-Manager über den Übergriff informierte, wurde ihm gesagt: "Das ist nicht unsere Angelegenheit".
Damit ist klar, dass Amazon zu Missbräuchen beigetragen hat, indem es sich nicht an seine eigenen Richtlinien oder die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gehalten und möglicherweise von dem Menschenhandel profitiert hat.