Amnesty International Jahresbericht 2022
2022 als Jahr der Krisen: Kriege und Flucht, wirtschaftliche Not und die Unterdrückung der Zivilgesellschaft
2022 war ein Jahr der Konflikte: neue brachen aus, alte flammten wieder auf und bestehende schwelten weiter. Die damit einhergehenden Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht brachten großes menschliches Leid mit sich. Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf die schwerwiegenden menschenrechtlichen Folgen verschiedener Konflikte und der Umgang mit schutzsuchenden Geflüchteten waren unzulänglich. Auch gegen andere schwere Menschenrechtsverstöße, einige von ihnen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ging die internationale Gemeinschaft nicht entschlossen genug vor. Hierzu zählten beispielsweise die brutale Unterdrückung der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und friedliche Versammlung, etwa in Form von Protesten. Diejenigen, die für Menschenrechte eintraten, wurden häufig zum Ziel von Repressalien.
Weltweit waren Frauen, Mädchen sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) nach wie vor von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen, obwohl manche Staaten ihre Rechte gestärkt haben. Beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gab es sowohl Rückschläge als auch Fortschritte. Viele Länder begannen, die Coronapandemie zu überwinden, während andere immer noch unter ihren Auswirkungen litten. Wirtschaftskrisen infolge der Pandemie trugen gekoppelt mit hoher Schuldenlast, Konflikten und dem Klimawandel dazu bei, dass vielerorts die Lebenshaltungskosten in die Höhe schnellten und sich die Ernährungsunsicherheit verstärkte. Dies brachte größere Ungleichheit mit sich, da die Hauptleidtragenden ohnehin bereits ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen waren.
All diese Aspekte, die Amnesty International bei der Betrachtung von 156 Ländern im Jahr 2022 als übergeordnete Problemfelder herausgearbeitet hat, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Unterdrückung Andersdenkender spielte eine Rolle bei der Wegbereitung von Konflikten. Bewaffnete Konflikte und Staatsstreiche im Jahr 2021 bildeten den Nährboden für Repressalien gegen die Zivilgesellschaft. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen war ein grausamer Bestandteil bewaffneter Konflikte. Krieg, politische Krisen, steigende Lebenshaltungskosten, eingeschränkte reproduktive Rechte, Gewalt gegen Frauen und Diskriminierung bewegten zahlreiche Menschen dazu, auf die Straße zu gehen. Amnesty International stellte im Zusammenhang mit einigen dieser Menschenrechtsthemen fest, dass sowohl die Geschäftsmodelle von Tech-Giganten zunehmend schädliche Auswirkungen hatten, als auch dass dringend ehrgeizigere Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise und Umweltzerstörung ergriffen werden müssen.
Das Jahr in Bildern
Es ist nicht einfach, angesichts von Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen Hoffnung zu behalten. Doch im gesamten letzten Jahr haben couragierte Menschen gezeigt, dass wir nicht machtlos sind. Wir haben beeindruckende Akte des Widerstands erlebt.
Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International