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Bericht einer Hausangestellten: „Ich wollte der Ausbeutung in Katar endlich entkommen – dann kam COVID-19“

13. Mai 2020

Mary aus Kenia arbeitet als Fahrerin und Haushälterin für eine Familie in Katar. Wie Tausende andere Hausangestellte in der gesamten Golfregion wurde Mary schlecht behandelt und war stark überarbeitet. Anfang dieses Jahres traf sie die Entscheidung, das Land zu verlassen. Doch in letzter Minute durchkreuzte COVID-19 ihre Pläne.

Ich arbeite für eine Familie, die sechs Kinder hat. Ich musste etwa 1.200 Dollar an eine Agentur zahlen, um diesen Job zu bekommen. Es ist harte Arbeit, aber ich habe Verpflichtungen in Kenia – ich muss für meinen Sohn sorgen, und für meine Mutter, die sehr krank ist.

An einem typischen Tag stehe ich um 5 Uhr auf, um das Auto zu reinigen. Zwischen 6 und 7.30 Uhr fahre ich hin und her und bringe die Kinder zur Schule und meine Arbeitgeberin zur Arbeit. Wenn ich zurückkomme, muss ich Teile des Hauses reinigen, was etwa vier Stunden dauert. Ich habe keine Zeit für ein ordentliches Frühstück oder Mittagessen. Den Nachmittag verbringe ich damit, die Familie von verschiedenen Orten abzuholen.

Meine Arbeitgeber wissen nicht, dass ich ein Telefon habe. Ich habe eines aus Kenia mitgebracht und verstecke es in meinem Zimmer. Ich muss die ganze Zeit auf Bereitschaft sein, was bedeutet, dass ich nie wirklich abschalten kann. Oft muss ich lange aufbleiben und warten, um jemanden um Mitternacht abzuholen. Kürzlich hatte ich einen Unfall, weil ich so müde war. Statt auf die Bremse bin ich auf das Gaspedal getreten.
Das Geld für die Autoreparatur wurde von meinem Gehalt abgezogen, obwohl mir die Werkstatt sagte, dass die Kosten durch die Versicherung gedeckt waren.

Ich bin eine gute Fahrerin und könnte ein gutes Gehalt bekommen, aber in diesem Job bekomme ich nur 1200 QAR (etwa 330 USD). Jeden Monat zieht mein Arbeitgeber davon Geld ab, um die Kosten für meine Reise hierher zu decken, obwohl dies nicht in der Vereinbarung stand, als ich anfing. Ich habe das bei meinem Arbeitgeber aber nicht angesprochen – denn tatsächlich ist es mir nicht einmal erlaubt, mit dem Mann zu sprechen.

Das System in den Golfstaaten gibt den Arbeitgeber*innen alle Macht. Da wir von unseren Arbeitgeber*innen 'gesponsert' werden, sind wir hinsichtlich unseres rechtlichen Status von ihnen abhängig. Das bedeutet, dass wir ohne ihre Erlaubnis nicht den Arbeitsplatz wechseln können.

Mary, Hausangestellte in Katar

Die schlimmste Zeit für mich war, als einer der anderen Mitarbeiter ging. Von mir wurde erwartet, dass ich auch ihre Arbeit übernehme, und das war katastrophal. Ich war noch nie so gestresst, ich habe kaum etwas gegessen. Und in all diesen Monaten wurden mir keine Überstunden dafür gutgeschrieben, nicht einmal ein "Danke, Sie leisten ausgezeichnete Arbeit". Ich fühlte mich ausgenutzt. Also beschloss ich, nachdem ich etwa ein Jahr hier gewesen war, zu gehen. Ich wollte eine Weile in Kenia bleiben und dann nach Dubai zurückkehren. Ich sparte Geld und kaufte ein Ticket für die Reise nach Kenia. Ich sollte im April fliegen, aber als Katar im März abgeriegelt wurde, wurden alle Flüge gestrichen.

Jetzt sitze ich hier einfach fest – nichts bewegt sich.  Meine Mutter wurde wegen einer Notoperation ins Krankenhaus eingeliefert, und ich bin deswegen so gestresst. Ich habe im Inneren so viel zu verarbeiten, und ich kann mit niemandem reden – manchmal möchte ich aufstehen und arbeiten, nur damit ich ein Ventil für meine Gefühle habe.

Ich habe Freunde hier, die einfach in der Botschaft warten, bis sie nach Hause können. Es ist schwer, fern von der Familie zu leben – stell dir vor, du hast endlich die Frist deines Arbeitsvertrags erreicht und dann darfst du in letzter Minute wegen COVID-19 nicht mehr fliegen.

Zumindest ist mein Arbeitspensum etwas geringer, weil ich nicht fahre. Normalerweise ist der Ramadan eine wirklich harte Zeit für Haushälterinnen, aber ich hoffe, dass es dieses Jahr etwas ruhiger wird. 

Es hilft, daran zu denken, dass diese Situation nicht nur mich betrifft – so viele Menschen hatten Pläne für dieses Jahr, die verbaut wurden. Ich versuche, Frieden mit der Tatsache zu schließen, dass ich das tue, weswegen ich hierher gekommen bin, auch wenn es nicht ganz so ist, wie ich es erwartet habe. Ich muss nur noch ein paar Monate durchhalten. Wenn COVID-19 endlich vorbei ist, werden sich die Türen öffnen – dann kann ich mein Leben endlich weiterleben.

Amnesty International fordert die Regierungen der Golfstaaten auf, Hausangestellte vor Ausbeutung, Missbrauch und Diskriminierung zu schützen. Sie müssen sicherstellen, dass Hausangestellte durch arbeitsrechtliche Schutzvorkehrungen abgesichert sind, die ihre Arbeitsrechte garantieren. Dazu zählen begrenzte Arbeitszeiten, Tagesurlaub, Überstundenbezahlung und Bewegungsfreiheit. Weitere Informationen