Schusswaffeneinsatz mit Verletzungs- und Tötungsabsicht
Amnesty International hat Augenzeuge*innenberichte dokumentiert und Bilder und Videos der Proteste analysiert. Sie offenbaren, in welch erschütterndem Ausmaß iranische Sicherheitskräfte rechtswidrig und wiederholt mit Schrotkugeln direkt auf Demonstrierende schießen.
Nach Augenzeug*innenberichten starben mindestens drei Männer (Fereydoun Mahmoudi in Saqqez in der Provinz Kurdistan, Farjad Darvishi in Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan und ein unbekannter Mann in Kermanshah in der Provinz Kermanshah) und eine Frau (Minou Majidi in Kermanshah in der Provinz Kermanshah) an tödlichen Verletzungen durch Schrotkugeln, die sie bei Protesten am 19. und 20. September erlitten hatten. Vier weitere Personen, Reza Lotfi und Foad Ghadimi in Dehgolan sowie Mohsen Mohammadi in Divandareh in der Provinz Kurdistan und der 16-jährige Zakaria Khial in Urmia wurden getötet. Menschenrechtsverteidiger*innen teilten Amnesty International mit, dass diese Personen ihren Quellen vor Ort zufolge von Sicherheitskräften erschossen wurden, sie jedoch keine weiteren Informationen zur verwendeten Munitionsart hätten.
Die Behörden haben den Tod von drei Personen in der Provinz Kurdistan am 19. September und den von zwei Personen in der Provinz Kermanshah am 20. September bestätigt, passend zum herrschenden Muster aus Leugnung und Vertuschung, die Verantwortung für ihren Tod jedoch „Feinden [der Islamischen Republik]“ zugeschrieben.
Übereinstimmende Augenzeug*innenberichte und Videomaterial lassen keinen Zweifel daran, dass die Personen, die bei den Protesten Schusswaffen einsetzten, zu den iranischen Sicherheitskräften gehörten. Umfassendes Videomaterial weist darauf hin, dass die Proteste in Kermanshah in der Provinz Kurdistan sowie in der Provinz West-Aserbaidschan, in denen Todesfälle unter den Protestierenden verzeichnet wurden, größtenteils friedlich waren. An einigen Orten warfen einige Demonstrierende mit Steinen und beschädigten Polizeifahrzeuge.* Dies ist jedoch keine Rechtfertigung für den Einsatz von Metallgeschossen, der unter allen Umständen verboten ist.
Schlimme Verletzungen bei Demonstrierenden
Nach Angaben einer von Amnesty International befragten Quelle schossen die Sicherheitskräfte in Saqqez am 16. September, dem ersten Tag der Proteste, aus einer Entfernung von etwa zehn Metern mit Schrotmunition auf den 18-jährigen Nachirvan Maroufi, der dadurch auf dem rechten Auge erblindete. Wie die Quelle weiter berichtete, schossen die Sicherheitskräfte auch auf den 22-jährigen Parsa Sehat mit Schrotkugeln. Er kann seitdem auf beiden Augen nicht mehr sehen.
Am 19. September breiteten sich aus Saqqez Massenproteste auf andere Städte aus, in denen Angehörige der kurdischen Minderheit des Irans leben, darunter Baneh, Dehgolan, Divandareh, Kamyaran, Mahabad und Sanandaj. Demonstrierende, Angehörige der Opfer und Journalist*innen vor Ort berichteten Amnesty International, dass die Sicherheitskräfte allein an diesem Tag Hunderte von Männern, Frauen und Kindern verletzten, indem sie ihnen wiederholt aus nächster Nähe mit Schrotkugeln auf Kopf und Brust schossen, was auf die Absicht hindeutet, ihnen größtmöglichen Schaden zuzufügen.
In einem Augenzeug*innenbericht über das harte Vorgehen in Kamyaran heißt es: „Die Bereitschaftspolizei hat wiederholt aus etwa 100 Metern Entfernung auf Leute geschossen ... Ich selbst habe mindestens 10 bis 20 Leute gesehen, die von Metallgeschossen getroffen wurden ... Die meisten wurden beim Weglaufen am Rücken verletzt.“
Ein Demonstrant aus Mahabad beschreibt ein ähnliches Muster. Er sagt: „Als Reaktion auf die Rufe ‚Frauen, Leben, Freiheit‘ und ‚Tod dem Diktator‘ feuerten die Sicherheitskräfte mit Schrotkugeln geladene Waffen ab, oft aus einer Entfernung von 20 bis 30 Metern ... Dabei zielten sie vor allem auf die Köpfe der Menschen."