© Ebrahim Noroozi AP Picturedesk.Com
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presse

Afghanistan: Drei Jahre internationale Untätigkeit trotz Taliban-Verbrechen

15. August 2024

Anlässlich des dritten Jahrestages der Machtübernahme durch die Taliban weist Amnesty International heute auf die alarmierende Lage in Afghanistan hin.

Die Menschen in Afghanistan sowie diejenigen, die aus dem Land fliehen mussten, leben seit drei Jahren mit der großen Enttäuschung, dass die Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht durch die De-facto-Behörden der Taliban völlig straffrei bleiben.

 „Wir haben mit Menschen gesprochen, die einen Querschnitt der afghanischen Gesellschaft in der ganzen Welt repräsentieren. Sie sind mit überwältigender Mehrheit der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft die Menschen in Afghanistan im Stich gelassen hat. Sie hat die Taliban weder für die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen noch, eine Strategie entwickelt, um weiteren Schaden zu verhindern“, sagte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. 

Die österreichische Regierung muss jetzt entschlossen handeln: Sie muss einen Rechenschaftsmechanismus unterstützen, der die Taliban für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zieht.

Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

„Zudem muss Österreich alles daransetzen, die Taliban unter Druck zu setzen, damit sie die Rechte von Frauen und Mädchen respektieren, geschlechtsspezifische Verfolgung stoppen und eine echte Teilhabe von Frauen in Gesellschaft, Politik und Kultur ermöglichen.“

In einer breit angelegten Befragung von mehr als 150 Akteur*innen, darunter afghanische Menschenrechtsverteidiger*innen, Akademiker*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und Journalist*innen, dokumentiert Amnesty International die Frustration der Menschen über die Reaktion der internationalen Gemeinschaft sowie ihre Befürchtungen und Vorschläge für die Zukunft. 

Die Befragungen wurden mit Personen in 21 Provinzen Afghanistans und mit Exilant*innen in zehn Ländern durchgeführt, darunter die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, die Schweiz, Italien, Kanada und Pakistan. 

Frauenrechtsverteidigerinnen: „Wir sind zu niemandem geworden“ 

Mehr als zwanzig afghanische Menschenrechtsverteidigerinnen aus 21 Provinzen Afghanistans berichteten Amnesty International, dass sie in allen Aspekten ihres Lebens ihre Handlungsfähigkeit verloren haben. Die Frauen, mit denen wir gesprochen haben, waren früher in Bereichen wie Justiz, Politik, Journalismus, Bildung und Sport tätig. Nach drei Jahren unter der Herrschaft der Taliban haben sie das Gefühl, „niemand“ mehr zu sein, mit kaum noch Möglichkeiten, wirtschaftlich oder kulturell etwas beizutragen. 

Zusammenbruch des Justizsystems und Folter 

Nach der Machtübernahme durch die Taliban brach das afghanische Justizsystem vollständig zusammen. Im November 2022 erteilte der Oberste Führer der Taliban den Befehl zur vollständigen Umsetzung der Scharia (islamisches Recht) in Afghanistan. Über das Fehlen fairer Gerichtsverfahren oder den Zugang zu Rechtsmitteln wird nach wie vor zu wenig berichtet. 

Vertreter*innen der Zivilgesellschaft berichteten über die Wiedereinführung von Körperstrafen in Afghanistan, darunter öffentliche Auspeitschungen, Hinrichtungen, Zwangsamputationen von Gliedmaßen, Steinigungen und andere Formen von Misshandlung und Folter, die alle gegen internationales Recht verstoßen. 

Zivilgesellschaft in Gefahr 

In Afghanistan verschwindet die Zivilgesellschaft. Die Taliban betrachten Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter protestierende Frauen, Basisorganisationen, Journalist*innen und politische Aktivist*innen als Feinde. Wer protestiert, fällt dem Verschwindenlassen zum Opfer, wird willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert oder in anderer Weise misshandelt.

Seit dem Machtwechsel sind viele Menschen gezwungen, aus Angst vor Repressalien das Land zu verlassen, und ihre Familie und ihre Arbeit zu verlassen. Hunderte von ihnen sitzen nach wie vor im Iran, in Pakistan und in der Türkei fest. Dort sehen sie sich rechtlichen und finanziellen Problemen gegenüber und ihnen droht die Abschiebung nach Afghanistan. 

Taliban-Propaganda verschleiert Menschenrechtskrise 

Die Menschenrechtsverteidiger*innen, die mit Amnesty International gesprochen haben, waren der Ansicht, dass die Rhetorik und Propaganda der Taliban den Ernst der Menschenrechtskrise in Afghanistan zum Teil damit herunterspielen, dass sie behaupten, Afghanistan sei jetzt „sicherer“ und habe eine wachsende Wirtschaft, in der den Bürger*innen Würde und Respekt im Einklang mit der Scharia und ihrer Kultur gezollt würden. In Wirklichkeit haben die Taliban ein Umfeld der Angst und der absoluten Kontrolle geschaffen.