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Amnesty fordert Aus für den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie

7. November 2023

Zusammenfassung

  • Gesichtserkennungstechnologie birgt Risiko der Diskriminierung und ist massiver Eingriff in das Recht auf Privatsphäre
  • Rechtliche Grundlage in Österreich für Einsatz unzureichend

Angesichts der jüngsten Terrorereignisse weltweit und der aktuell erhöhten Terror-Warnstufe auch in Österreich wird mancherorts der Ruf nach stärkeren und invasiveren Überwachungsmethoden laut. Innenminister Gerhard Karner hat erst vor Kurzem gemeint, die Menschen müssten sich zwischen „Datenschutz oder echter Sicherheit“ entscheiden. Gemeint war die von ihm angedachte Ausweitung behördlicher Überwachungsmöglichkeiten auch auf verschlüsselte Messengerdienste wie Signal oder WhatsApp.

In diese Debatte hinein meldet sich Amnesty International zu Wort – und weitet die Diskussion aus: Amnesty lehnt nicht nur die von Innenminister Karner geforderte Unterwanderung verschlüsselter Kommunikation durch Spionagesoftware aufgrund massiver menschenrechtlicher Risiken ab, sondern mahnt erneut auch die Einstellung der bereits in Österreich eingesetzten Überwachungssoftware zur Gesichtserkennung ein.

Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie ist gefährlich und birgt mehr Gefahren, als ihr Nutzen für die Sicherheit der Menschen rechtfertigen kann.

Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich

Amnesty International hat in den vergangenen Jahren mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt, mit denen ein Ende des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologie zur Strafverfolgung in Österreich gefordert werden. Die entsprechende Petition wird heute an das Innenministerium übergeben.

„Sicherheit ist ein hohes Gut, das der Staat schützen muss. Für Erleichterungen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zahlen wir alle einen zu hohen Preis”, betont Exenberger. Und weiter: “Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie zur Identifizierung bedroht unsere Rechte in einem Maß, das ihr Nutzen nicht aufwiegen kann.”

Warnung vor Massenüberwachung: Keine klare gesetzliche Grundlage in Österreich

In einer detaillierten Analyse erläutert Amnesty International die Risiken des Einsatzes so genannter Gesichtserkennungssoftware: Diese kann das Recht auf friedlichen Protest und freie Meinungsäußerung bedrohen und sich auch diskriminierend auswirken. Außerdem zeigt der Amnesty-Bericht auf, dass es für den Einsatz der Technologie in Österreich keine ausreichende rechtliche Grundlage gibt.

Amnesty International warnt auch vor einer schrittweisen Ausweitung des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologie in Österreich, die im schlimmsten Fall zur Massenüberwachung führen kann, und fordert ein Verbot nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Gesichtserkennungstechnologie zu Identifizierungszwecken soll weder eingesetzt, entwickelt, produziert noch verkauft und exportiert werden dürfen.

Funktionsweise der Gesichtserkennungstechnologien zum Teil unbekannt

Laut Amnesty-Bericht ist besonders problematisch an der Technologie, dass sie grundsätzlich äußerst fehleranfällig ist und unter anderem zu Diskriminierung bereits marginalisierter Gruppen führen kann. Die Systeme erkennen manche Gesichter in Abhängigkeit von bestimmten Schlüsselmerkmalen wie Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht genauer als andere. Mit anderen Worten: Personen mit nicht-weißer Hautfarbe, aber auch Frauen, könnten daher öfter fälschlicherweise als potenzielle Täter*innen von der Software ausgewiesen werden. Die genaue Funktionsweise der Software, die in Österreich verwendet wird, kann jedoch weder extern noch vom Innenministerium selbst überprüft werden, denn dies unterliegt dem Betriebsgeheimnis der Herstellerfirma. Inwiefern die vom BMI angekaufte Software menschenrechtlich problematisch sein könnte, lässt sich daher nicht überprüfen.

Dies ist insbesondere bedenklich, da Staaten verpflichtet sind, Menschen vor – direkter und indirekter – Diskriminierung zu schützen. Menschenrechtlich relevant ist auch die Tatsache, dass die Gesichtserkennungssoftware flächendeckend auch anlässlich von Demonstrationen eingesetzt werden kann und damit eine potenziell abschreckende Wirkung auf die Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit hat und Menschen davon abhalten könnte, sich an Protesten zu beteiligen.

Weltweit verstärkter Einsatz trotz Missbrauchspotenzial

Trotz des hohen Missbrauchspotenzials setzen immer mehr Länder Gesichtserkennungstechnologie zur Überwachung des öffentlichen Raums ein, unter anderem auch von mindestens elf EU-Mitgliedstaaten – vor allem mit dem Argument, die nationale Sicherheit zu schützen. Verdächtige sollen rasch identifiziert und überwacht werden.

In China etwa wird die Technologie zur Überwachung der muslimischen Minderheit der Uigur*innen eingesetzt – auch mit Technologie aus EU-Staaten, wie ein Bericht von Amnesty International zeigte. In Russland setzte die Polizei bei Protesten Gesichtserkennung ein, um friedlich Protestierende zu identifizieren und zu verfolgen. In den USA wurde im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste das Missbrauchspotenzial der Technologie kritisiert. Daraufhin kam es in zahlreichen Städten in den Vereinigten Staaten zu einem Verbot von Gesichtserkennung.

10.000 Unterschriften an Karner: Kein Einsatz von Gesichtserkennungssoftware

Amnesty International hat in den vergangenen Jahren mit der internationalen Kampagne „Ban the Scan” ein Schlaglicht auf den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie weltweit geworfen. In Österreich wurden unter dem Titel “Dein Gesicht gehört dir” mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt, mit denen der Stopp des Einsatzes von Gesichtserkennungssoftware in Österreich gefordert wird.