"Mit ihrer tödlichen Antidrogenpolitik trägt die Islamische Republik zu einem Kreislauf von Armut und systemischer Ungerechtigkeit bei und verfestigt die Diskriminierung marginalisierter Bevölkerungsgruppen, insbesondere der unterdrückten Minderheit der Belutschen“, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
„Die iranische Regierung hat die Todesstrafe zu einer Waffe gemacht, um Angst in der Öffentlichkeit zu säen und abweichende Meinungen zu unterdrücken. Ohne eine entschlossene Reaktion der internationalen Gemeinschaft werden sich die iranischen Behörden ermutigt fühlen, in den kommenden Jahren weiterhin Tausende von Menschen ungestraft hinzurichten.“
Hinrichtungen als Mittel der politischen Unterdrückung
Im letzten Jahr kam es zudem zu einer Welle von Hinrichtungen von Demonstrierenden, Nutzer*innen Sozialer Medien und anderen tatsächlichen oder vermeintlichen Dissident*innen. Obwohl ihre Handlungen durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt sind, kam es zu Anklagen wie „Beleidigung des Propheten“ und „Apostasie“ sowie vagen Anklagen wie „Feindschaft zu Gott“ (moharebeh) und/oder „Verdorbenheit auf Erden“ (ifsad fil arz).
Die Revolutionsgerichte waren für 520 (61 Prozent) der 2023 vollstreckten Todesurteile verantwortlich. Diese Gerichte sind für ein breites Spektrum von Straftaten zuständig, auch für Drogendelikte, die von den Behörden als Verbrechen im Sinne der „nationalen Sicherheit“ betrachtet werden. Den Gerichten fehlt es an Unabhängigkeit, sie stehen unter dem Einfluss von Sicherheits- und Geheimdiensten, und sie verwenden routinemäßig durch Folter erzwungene „Geständnisse“ in grob unfairen Schnellverfahren, um Schuldsprüche zu fällen.
Hinrichtungen wegen Drogendelikten erfolgten häufig im Geheimen, ohne dass die Familien und Rechtsbeistände der betroffenen Personen benachrichtigt wurden.
Auf die belutschische Minderheit im Iran entfielen im Jahr 2023 insgesamt 29 Prozent (138) der Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten, obwohl sie nur etwa 5 Prozent der iranischen Bevölkerung ausmacht. Dies zeigt die diskriminierende Wirkung der Antidrogenstrategie auf die am stärksten marginalisierten und verarmten Bevölkerungsgruppen.
Im vergangenen Jahr kam es darüber hinaus zu einer traurigen Eskalation, was die Todesurteile gegen jugendliche Straftäter*innen angeht: Die Hinrichtung eines 17-Jährigen und vier weiterer junger Menschen, die für Straftaten zum Tode verurteilt worden waren, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten.
In den letzten Monaten haben die Behörden eine neue Richtlinie der Obersten Justizautorität irreführend als einen Schritt hin zu einer „weiteren Verringerung“ der Todesurteile gegen jugendliche Straftäter*innen propagiert. Die Analyse von Amnesty International zeigt jedoch, dass seit langem bestehende Mängel im Jugendstrafrecht durch die Richtlinie nicht behoben werden und Gerichte auch weiterhin die Möglichkeit haben, jugendliche Straftäter*innen nach zweifelhaften „Reifeprüfungen“ zum Tode zu verurteilen. Amnesty International hat die iranischen Behörden wiederholt aufgefordert, Paragraf 91 des islamischen Strafgesetzbuches zu ändern, um die Todesstrafe für Verbrechen, die von Minderjährigen begangen wurden, unter allen Umständen abzuschaffen.
Ohne sofortige Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft werden die Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogen weiterhin zunehmen, da die Justiz, die Legislative und die Exekutive im Iran derzeit versuchen, ein neues Antidrogengesetz zu verabschieden, das im Falle seiner Umsetzung die Bandbreite der Drogendelikte, die die Todesstrafe nach sich ziehen, erweitern würde.
Quellen der Hinrichtungszahlen
Die iranischen Behörden weigern sich, öffentliche Statistiken zu Todesurteilen und Hinrichtungen vorzulegen. Bei der Erfassung der Anzahl im Jahr 2023 vollstreckter Hinrichtungen hat Amnesty International eng mit der Menschenrechtsorganisation Abdorrahman Boroumand Centre zusammengearbeitet und dabei auf offene Quellen zurückgegriffen, darunter Berichte von staatlichen und unabhängigen Medien sowie von Menschenrechtsorganisationen. Außerdem hat die Organisation die Hinrichtungsprotokolle der Menschenrechtsorganisationen Iran Human Rights und Kurdistan Human Rights Network eingesehen.
Die Todesstrafe ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person oder der Hinrichtungsmethode.