Viktor Orbán bei einem Besuch im Bundeskanzleramt in Wien, Juli 2022. © ALEX HALADA / AFP / picturedesk.com
Viktor Orbán bei einem Besuch im Bundeskanzleramt in Wien, Juli 2022. © ALEX HALADA / AFP / picturedesk.com
presse

Orbán in Wien: Rosenkranz muss klare Position für Menschenrechte beziehen

30. Oktober 2024

Anlässlich des morgigen Besuchs von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán im österreichischen Nationalrat fordert Amnesty International Nationalratspräsident Walter Rosenkranz und alle österreichischen Abgeordneten auf, die schweren Menschenrechtsverletzungen in Ungarn entschieden zu verurteilen. Die systematische Aushöhlung des Rechtsstaates, die gezielten Angriffe auf die Zivilgesellschaft sowie die Diskriminierung marginalisierter Gruppen durch die ungarische Regierung stellen eklatante Verstöße gegen internationale Menschenrechtsstandards dar.

„Als Nachbarland und EU-Mitglied hat Österreich eine besondere Verantwortung, sich aktiv für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in Ungarn einzusetzen. Der Besuch von Ministerpräsident Orbán darf keinesfalls als Zustimmung zu seiner repressiven Politik verstanden werden, sondern als wichtige Gelegenheit, konkrete Maßnahmen zur Wahrung der Menschenrechte einzufordern“, betont Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. 

Der neu gewählte Nationalratspräsident Walter Rosenkranz hat nun die Möglichkeit, zu zeigen, für welche Art von Politik er in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eintritt.

Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich

Die Menschenrechte werden von der ungarischen Regierung bewusst missachtet, erklärt Aron Demeter, Leiter von Research und Kommunikation bei Amnesty International Ungarn: 
  
„Dieses Problem betrifft nicht nur Ungarn, sondern ganz Europa. Wir fordern die politischen Vertreter*innen Österreichs auf, klar Stellung zu beziehen. Die Aushöhlung des Rechtsstaates, Angriffe auf die Zivilgesellschaft sowie die Missachtung der Rechte von Geflüchteten und LGBTQIA+-Personen müssen unmissverständlich angesprochen werden. Ein Schweigen seitens Österreichs ermutigt die ungarische Regierung nur, ihre Menschenrechtsverletzungen fortzusetzen.“ 

Hintergrund 

Unter Ministerpräsident Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz wurde in Ungarn die Unabhängigkeit der Justiz systematisch untergraben und die Notstandsbefugnisse, die ein Regieren per Dekret ermöglichen, ausgeweitet. Diese Maßnahmen gefährden den Rechtsstaat und grundlegende Menschenrechte. 

Unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft stehen unter erheblichem Druck. Das Amt für den Schutz der Souveränität (SPO) nutzt seine weitreichenden Ermittlungsbefugnisse, um gegen zivilgesellschaftliche Organisationen vorzugehen. Die EU-Kommission verklagt Ungarn derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof wegen des sogenannten Souveränitätsgesetzes, dass die ausländische Finanzierung von NGOs unter Strafe stellt und die Meinungsfreiheit erheblich einschränkt. 

Die ungarische Regierung steht auch wegen ihrer Politik gegenüber LGBTQIA+-Personen massiv in der Kritik. Gesetze, die die Darstellung von Homosexualität gegenüber Minderjährigen verbieten und das Recht auf Geschlechtsanpassung für Transgender-Personen einschränken, haben ein feindliches Umfeld für LGBTQIA+-Menschen geschaffen und stellen einen schweren Rückschritt für die Gleichstellung dar. 
  
Darüber hinaus verstößt die Behandlung von Asylsuchenden in Ungarn gegen internationale Standards. Berichte dokumentieren illegale Pushbacks, Misshandlungen durch Grenzbeamte, unmenschliche Haftbedingungen sowie erhebliche Hürden beim Zugang zu Asylverfahren. Ungarn weigert sich bislang, die vom EuGH verhängte Geldstrafe in Höhe von 200 Millionen Euro wegen Verstößen gegen das EU-Asylrecht zu zahlen.