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Uneingeschränkter Handel mit Polizeiausrüstung führt zu Menschenrechtsverletzungen bei Protesten

12. Oktober 2023

Zusammenfassung

  • Amnesty International kritisiert das Fehlen einer globalen Regulierung des Handels mit Polizeiausrüstung 
  • Waffen wie Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten werden an Länder verkauft, die sie zur gewaltsamen Unterdrückung von Protesten einsetzen
  • Involviert sind Unternehmen aus China, Frankreich, Italien, Südkorea und den USA

Unternehmen, die sogenannte weniger tödliche Waffen („less lethal weapons“) an Länder verkaufen, die sie bei Protesten und zu deren Unterdrückung einsetzen, und Staaten, die diese Exporte genehmigen, tragen zu einer weltweiten Menschenrechtskrise bei und müssen diesen unverantwortlichen Handel stoppen. Dies fordert Amnesty International in einem neuen Untersuchungsbericht und setzt sich im Rahmen der weltweiten Kampagne Protect the Protest für den Schutz friedlicher Versammlungen und Proteste ein, die in vielen Staaten zusehends unter Druck geraten.

Der Bericht mit dem Titel The Repression Trade: Investigating the Transfer of Weapons Used to Crush Dissent identifiziert 23 große Hersteller dieser so genannten weniger tödlichen Ausrüstung und Jagdmunition, deren Produkte rechtswidrig bei Protesten in 25 Ländern weltweit eingesetzt wurden. Diese Waffen – darunter Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten – wurden regelmäßig für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt, z.B. um Protestierende oder Gefangene weltweit zu foltern oder anderweitig zu misshandeln. Dies führte zu tausenden Verletzungen und zahlreichen Todesfällen, die vermeidbar gewesen wären, so Patrick Wilcken, Researcher für die Bereiche Militär, Sicherheit und Polizei bei Amnesty International.

Es gibt Unternehmen, die routinemäßig Waffen in Länder geliefert haben, die eine schockierende Menschenrechtsbilanz aufweisen und zu denen Berichte vorlagen, dass diese Ausrüstung dort missbraucht wird. Der Mangel an staatlicher Regulierung eines solchen Handels führt zu Menschenrechtsverletzungen und zur Aushöhlung des Rechts auf friedlichen Protest.

Patrick Wilcken, Researcher für die Bereiche Militär, Sicherheit und Polizei bei Amnesty International.

"Die Unternehmen, die diese Waffen herstellen, müssen den unverantwortlichen Vertrieb dieser Ausrüstungsgegenstände einstellen.“ Auch die Staaten seien in der Pflicht, indem sie diesen Handel dringend regulieren. Sofern sie derartige Exporte genehmigen, leisten sie schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen Vorschub.

Amnesty International fordert die Staatengemeinschaft auf, der Forderung der UN-Sonderberichterstatterin über Folter nachzukommen und ein wirkungsvolles Handelsverbot für Folterwerkzeuge zu unterstützen. Ein solches internationales Abkommen würde den Handel mit Ausrüstung, deren Anwendung grundsätzlich eine Menschenrechtsverletzung darstellt, untersagen. Zudem würde ein solches Übereinkommen strenge menschenrechtsbasierte Kontrollen für den Handel mit Ausrüstungsgegenständen für Sicherheitsbehörden einführen.

Konzerne schlagen Profit aus menschlichem Leid

Amnesty International hat Aufnahmen von Protestveranstaltungen der vergangenen zehn Jahre analysiert und Nachweise dafür gefunden, dass in allen Teilen der Welt diese so genannten weniger tödlichen Waffen auf verantwortungslose Weise eingesetzt wurden, in manchen Fällen mit tödlichen Folgen.

Die Amnesty-Kampagne Protect the Protest hat weltweit zahlreiche Verstöße gegen das Recht auf Protest dokumentiert. In Ländern auf der ganzen Welt werden weiterhin weniger tödliche Waffen wie Tränengas, Gummigeschosse, Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt, um Demonstrierende zu schikanieren, einzuschüchtern, zu bestrafen oder zu vertreiben und ihr Recht auf friedliche Versammlung zu unterbinden.

Der Handel mit weniger tödlichen Waffen, einschließlich Ausrüstung zur Kontrolle von Menschenmengen, ist inzwischen zunehmend globalisiert. China, Südkorea, die USA und einige große europäische Staaten dominieren den Markt, aber auch Unternehmen in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien, Indien und der Türkei produzieren Waffen für den heimischen Markt und zum großflächigen Export.

Cheddite ist ein französisch-italienisches Unternehmen, das Granaten und Patronen herstellt. Patronen von Cheddite, die mit Bleischrot gefüllt werden können und für die Jagd gedacht sind, wurden im Iran rechtswidrig gegen Demonstrierende eingesetzt. Auch aus Myanmar und dem Senegal tauchten in den Sozialen Medien verifizierte Fotos von verbrauchten Schrotpatronen der Marke Cheddite auf, als dort Protesten stattfanden, die von Menschenrechtsverletzungen begleitet waren.

Combined Systems ist einer der größten Hersteller von weniger tödlichen Waffen in den USA. Amnesty International hat Bildmaterial verifiziert, das den Einsatz der Produkte von Combined Systems in den USA belegt. Auch in anderen Ländern, in denen die Sicherheitskräfte routinemäßig rechtswidrige Gewalt gegen Protestierende angewendet haben, wie z. B. Ägypten, Israel, Tunesien und Kolumbien, kam diese Ausrüstung zum Einsatz.

Norinco ist ein chinesischer Mischkonzern im Staatsbesitz, der eine breite Palette an konventionellen Waffensystemen herstellt. Im Zusammenhang mit Protesten in Kenia, Venezuela, Georgien, Guinea, Bangladesch und Sri Lanka, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergingen, ist verifiziertes Bildmaterial aufgetaucht, das Panzerfahrzeuge und weniger tödliche Waffen von Norinco zeigt.

Auch zwei südkoreanische Unternehmen waren Gegenstand der Untersuchung. Amnesty International hat in Bahrain, Myanmar und Sri Lanka den rechtswidrigen Einsatz von Tränengas und anderer weniger tödlicher Ausrüstung der DaeKwang Chemical Corporation dokumentiert. Amnesty International hat zudem Filmmaterial überprüft und Fotos erhalten, die zeigen, dass die Polizei in Sri Lanka und Peru Tränengasgranaten der südkoreanischen Firma CNO Tech zur Unterdrückung von Protesten einsetzte.

Gemäß der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen müssen Unternehmen Richtlinien und Prozesse zur Wahrung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte ausarbeiten und umsetzen, um so die menschenrechtlichen Risiken ihrer Tätigkeit und ihrer Wertschöpfungsketten zu identifizieren und zu abzuwenden.

Unternehmen, die Ausrüstungsgegenstände exportieren, die von Polizei- bzw. Sicherheitskräften missbraucht werden könnten – insbesondere in Länder, in denen die internationalen Menschenrechtsnormen nur unzureichend eingehalten werden –, müssen vor dem Verkauf eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen. Wenn es nicht möglich ist, die potenziellen negativen Auswirkungen der Nutzung ihrer Produkte oder Dienstleistungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzumildern, sollte das Unternehmen die Lieferung in verantwortungsvoller Weise aussetzen oder einstellen.

Auch wenn es nicht immer möglich ist, die genauen Lieferketten für bestimmte Waffentypen zurückzuverfolgen, deuten unsere Beweise doch stark darauf hin, dass langjährige Muster unverantwortlicher Handelspraktiken weiterhin Schaden anrichten.

Patrick Wilcken, Researcher für die Bereiche Militär, Sicherheit und Polizei bei Amnesty International.

„Unternehmen, die diese Ausrüstung herstellen, haben eine Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und sollten nicht in Länder exportieren, in denen die Gefahr besteht, dass weniger tödliche Waffen rechtswidrig gegen Demonstrierende eingesetzt werden.

Die Staaten müssen die Empfehlungen des heute [12. Oktober] in New York veröffentlichten Berichts der UN-Sonderberichterstatterin über Folter unterstützen, ein rechtsverbindliches Völkerrechtsinstrument zur Regulierung dieses Handels zu entwickeln.“

Mit der Kampagne Protect the Protest fordert Amnesty International Regierungen auf, ein klares Zeichen für den Schutz von Demonstrierenden zu setzen und unnötige Hindernisse und Einschränkungen für friedliche Proteste zu beseitigen.