Kennst du deine Rechte auf Demos?

Warst du schon einmal in einer Situation, in der du dir nicht sicher warst, was du darfst und was nicht?

Was die Polizei darf und was nicht? Dann scrolle jetzt weiter! Der Demo-Guide liefert dir Informationen zu deinem Recht auf Protest!


Du kannst diesen Text auch in einfacher Sprache lesen

Fight For Rights
© Kathrin Frank/Amnesty International

Du hast ein Recht auf friedliche Versammlung! Aber was ist überhaupt eine Versammlung?

Unter einer Versammlung wird Folgendes verstanden:

  • eine absichtliche und vorübergehende Ansammlung von Personen
  • in einem privaten oder öffentlichen Raum
  • für einen gemeinsamen Ausdruckszweck

So ist ein Picknick mit Freund*innen in der Regel keine Versammlung und nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt.

Megaphone
© Hier kommt copyright
© Amnesty

Versammlungen müssen in Österreich grundsätzlich von dem*der Veranstalter*in spätestens 48 Stunden vor Beginn bei der zuständigen Versammlungsbehörde schriftlich angezeigt werden. Ansonsten könntest du eine Verwaltungsstrafe bekommen.  

Versammlungen brauchen allerdings keine vorherige behördliche Genehmigung.

Als direkte Reaktion auf aktuelle Ereignisse sind auch Spontanversammlungen von der Versammlungsfreiheit umfasst. Die Versammlung darf nicht allein deshalb aufgelöst werden, weil die Versammlungsanzeige unterblieben ist. Auch die Teilnahme an spontanen Versammlungen sind erlaubt! 

Beachte

Als Veranstalter*in einer Versammlung kannst du für das Nicht-Anzeigen einer spontanen Versammlung eine Verwaltungsstrafe bekommen, sofern nicht im Einzelfall ein Unterlassen der Anzeige gerechtfertigt war, z.B. da ein fristgerechtes Einbringen nicht möglich war und den Versammlungszweck gefährdet hätte. 

Musst du eine Versammlung anmelden? Sind spontane Versammlungen erlaubt?

Guy
Cloud Guy
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Überleg dir was du mitnehmen möchtest!

Ich packe meinen Demo-Rucksack und nehme mit…

Money

Bargeld

Medikamente

Medikamente, Hygieneartikel

Mach noch einige wichtige Vorbereitungen!

Bilde Bezugsgruppen! Geh nicht allein, sondern mit Menschen, die du kennst und denen du vertraust. Ideal sind 3-5 Personen. Passt aufeinander auf und nehmt Rücksicht aufeinander! Gebt eurer Gruppe einen Namen, den ihr rufen könnt, falls ihr euch aus den Augen verliert, um nicht jedes Mal alle Namen der Mitglieder rufen zu müssen. Macht euch aus, wo sich die Gruppe im Notfall trifft.

Notiere die Rechtshilfe-Nummer! Bei manchen Versammlungen gibt es das Angebot einer sogenannten Rechtshilfe. Sie stellt eine Notfall-Telefonnummer zur Verfügung, die beispielsweise, falls du, oder eine andere Person, festgenommen wurde, angerufen werden kann.

Oft wird die Telefonnummer mit einem Flyer verteilt oder im Internet bekanntgegeben. Du kannst dir die Nummer mit wasserfestem Stift auf Arm oder Bein schreiben!

Good to go?

Fast! Ein paar wichtige Informationen möchten wir dir noch mitgeben, bevor du losgehst!

Wann darf eine Versammlung durch die Polizei eingeschränkt, untersagt oder aufgelöst werden?

Untersagung:

Ja, eine Versammlung kann eingeschränkt (z.B. Begrenzung der Demo-Route) und im Vorfeld aus bestimmten Gründen sogar behördlich untersagt werden. Die Versammlungsfreiheit darf nur aus sehr wichtigen Gründen (z.B. öffentliche Sicherheit oder Schutz der Gesundheit) eingeschränkt werden. Alle Eingriffe in die Versammlungsfreiheit müssen rechtmäßig, notwendig und verhältnismäßig sein.  

Was kann passieren, wenn ich trotz Untersagung hingehe?
Die Polizei kann, wenn sich Menschen trotz der Untersagung versammeln, die Versammlung auflösen und du kannst eine Verwaltungsstrafe bekommen.

Auflösung: Grundsätzlich sind friedliche Versammlungen von der Versammlungsfreiheit geschützt. Eine Auflösung einer Versammlung muss immer das allerletzte Mittel sein! 

Meist erfolgt die Auflösung einer Versammlung durch eine mündliche Durchsage der Behörde. Nach einer Untersagung muss die Behörde ermöglichen, die Versammlung freiwillig aufzulösen!    

Wenn du die Versammlung nicht verlässt, begehst du eine Verwaltungsübertretung (§ 19 Versammlungsgesetz, VersG) und die Polizei wird versuchen, dich wegzubringen. Die Polizei ist bei Verwaltungsübertretungen grundsätzlich berechtigt, Identitätsfeststellungen vorzunehmen.

Der Einsatz von körperlichem Zwang durch die Polizei muss stets verhältnismäßig und immer letztes Mittel sein!   

In der Praxis werden aufgelöste Demonstrationen oft durch die Polizei eingekesselt. Das heißt für dich konkret, dass du den Kessel in der Regel nur dann verlassen kannst, wenn du deine Identität bekannt gibst. Wann die Polizei deine Identität feststellen darf erfährst du hier

Nach internationalen Menschenrechtsstandards müssen Einkesselungen im Sinne der Verhältnismäßigkeit so kurz wie möglich sein und die Personen müssen über Gründe und voraussichtliche Dauer informiert werden. Auch der Zugang zu Wasser oder Toiletten sollte sichergestellt werden! 

Darf ich bei Demos filmen oder fotografieren?

Grundsätzlich ja! Du hast das Recht, Proteste zu beobachten und auch zu filmen oder zu fotografieren. Dafür brauchst du keine Genehmigung!

Videos von rechtswidrigen Amtshandlungen der Polizei sind ein enorm wichtiges Beweismittel! Versuche durch dein Filmen oder Fotografieren die Amtshandlungen der Polizei nicht zu stören.

Wenn du vorhast, Bildmaterial oder Videos zu veröffentlichen, solltest du grundsätzlich das Einverständnis – bestenfalls schriftlich – der Betroffenen einholen. Solltest du aus guten Gründen vorhaben, das Bildmaterial ohne Einverständnis zu veröffentlichen, beachte, dass du im Vorfeld alle Beteiligten anonymisierst, z.B. durch Verpixeln. Ein nicht-anonymisiertes Veröffentlichen von Bildmaterial könnte andere Teilnehmer*innen in Gefahr bringen und auch rechtliche Konsequenzen für dich haben.

Was du nach Herausfordernden Situationen machen kannst findest du hier.

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Dein Recht auf Versammlungsfreiheit umfasst nach internationalen Menschenrechtsstandards auch ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum, also grundsätzlich auch das Recht, dein Gesicht zu verdecken.  

Allerdings gilt in Österreich auf Versammlungen grundsätzlich ein sogenanntes Vermummungsverbot. Außerdem verbietet das genannte Verschleierungsverbot die Verhüllung der Gesichtszüge im öffentlichen Raum. Ein Verstoß gegen die beiden Verbote kann eine Verwaltungsstrafe zur Folge haben. 

Eine Gesichtsverhüllung als expliziter Ausdruck der Meinungsäußerung (z.B. „Clown Army“, Demo gegen das Verhüllungsverbot) ist hingegen erlaubt. Auch eine Verhüllung aus gesundheitlichen Gründen, wie beispielsweise zum Schutz vor COVID-19, ist erlaubt.

Ist Anonymität bei der Demo erlaubt? Stichwort Vermummung!

AI 22 Clown LY02 Freigestellt

Was darf die Polizei und was nicht?


Muss mir die Polizei die Dienstnummer bekanntgeben?

Ja! Du hast im Fall einer Amtshandlung das Recht, auf Verlangen die Dienstnummer des*der einschreitenden Beamt*in zu erfahren (§ 9 Abs 1 Richtlinien-Verordnung, RLV). Die Bekanntgabe kann z.B. mündlich oder durch Aushändigung einer Karte erfolgen.

Wann darf die Polizei meine Identität feststellen?

Eine Identitätsfeststellung durch die Polizei bedarf jedenfalls einer rechtlichen Grundlage. Die in der Praxis relevantesten Gründe für eine Identitätsfeststellung sind: Dir wird vorgeworfen, eine Verwaltungsübertretung (§ 34b Verwaltungsstrafgesetz) zu begehen oder dass du an einer Straftat beteiligt warst (§ 118 Strafprozessordnung, StPO). Oder die Polizei nimmt an, dass du über eine Straftat Auskunft geben kannst (§ 118 Strafprozessordnung, StPO), oder. dass du zeitnah eine Straftat begehen wirst (§ 35 Sicherheitspolizeigesetz, SPG).

Wenn sich an bestimmten Orten regelmäßig Straftaten ereignen, darf die Polizei alle Personen an diesem Ort – unabhängig davon, ob sie verdächtig sind oder nicht – kontrollieren (§ 35 SPG). 

Wenn die Polizei annimmt, dass du dich rechtswidrig in Österreich aufhältst (§ 34 Fremdenpolizeigesetz, FPG), muss es einen begründeten Verdacht für die Identitätsfeststellung geben. Polizeikontrollen aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes – Ethnic Profiling – sind verboten! 

Österreichische Staats-, EU- und EWR-Bürger*innen sind nicht verpflichtet, einen Ausweis bei sich zu haben. Sie sind aber trotzdem verpflichtet, der Polizei ihre Daten bekannt zu geben. Nicht-österreichische Staats-, EU- und EWR-Bürger*innen müssen grundsätzlich einen Ausweis bei sich tragen, andernfalls können sie eine Verwaltungsstrafe bekommen (§ 32 FPG).

Muss ich meinen Ausweis zur Demo mitnehmen?

AI 10 Demorucksack LY01 Ausweis Freigestellt

Frage die Polizeibeamt*innen immer nach der Rechtsgrundlage und nach ihrer Dienstnummer!

Unter Umständen ist es sinnvoll, die Amtshandlung zu filmen. Achte dabei darauf, die Amtshandlung nicht zu stören! Was du beim Filmen beachten solltest findest du hier.

Bleib ruhig und lass dich nicht provozieren! Wenn du dich ärgerst und das zum Ausdruck bringst, kann das als aggressives Verhalten gegenüber der Polizei bewertet werden, wofür du bestraft werden kannst.

Du hast das Recht, eine Vertrauensperson – z.B. ein*e Freund*in oder Passant*in – beizuziehen, solange sie die Amtshandlung nicht stört.

Good To Go Part1

Grundsätzlich bist du bei einer Identitätsfeststellung verpflichtet, deinen Namen, dein Geburtsdatum und deine Meldeadresse anzugeben. Bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle musst du auch deine Staatsbürger*innenschaft angeben. Bei einer Identitätsfeststellung nach der Strafprozessordnung ist die Polizei grundsätzlich auch dazu ermächtigt, deinen Geburtsort, dein Geschlecht und deinen Beruf zu ermitteln. Wenn du unter 18 Jahre alt bist: die Namen deiner Erziehungsberechtigten. Du bist nicht verpflichtet, weitere Daten preiszugeben. Wenn du also nach mehr gefragt wirst, musst du dies nicht beantworten!

…und was, wenn ich die Daten nicht angebe?

Wenn du deine Daten nicht bekannt gibst, bekommst du dafür grundsätzlich zwar keine Verwaltungsstrafe, die Polizei darf aber zwangsweise deine Daten feststellen. Sie darf dann beispielsweise deinen Rucksack auf einen Ausweis o.ä. durchsuchen oder dich für eine Identitätsfeststellung auch festnehmen. Welche Rechte du nach einer Festnahme hast findest du hier.

Unter Umständen kann dir die Polizei in diesem Fall auch Wertgegenstände (z.B. Smartphone) zur Sicherung des Verfahrens wegnehmen (§ 37a VStG).

Welche Daten muss ich angeben?

AI 29 Verhoer LY01 Freigestellt

Was tun nach herausfordernden und konfrontativen Situationen?

Rede mit Menschen denen du vertraust über das, was geschehen ist. Nimm eine psychische Belastung bei dir oder anderen ernst und sucht euch bei Bedarf professionelle Hilfe.

Bei Verletzungen: Gehe zu einem Arzt oder Ärztin, lass dich gründlich untersuchen und Verletzungen dokumentieren. Fotografiere die Verletzungen auch mit einem Maßband, um die Größenverhältnisse zu sehen. Mach auch nach einigen Tagen wieder Fotos.

Hol dir rechtliche Unterstützung, wenn du eine Strafe erwartest oder dich gegen das Verhalten der Polizei wehren möchtest. Es gibt in vielen Städten kostenlose Rechtsberatungen. Nimm frühzeitig Kontakt mit ihnen auf.

Wenn du von Behörden Strafen erwartest, kannst du dich, wenn du gerade einen längeren Urlaub vorhast, bei der Post ortsabwesend melden, um Rechtsmittelfristen nicht zu verpassen. Beachte: Eine Abwesenheit ohne guten Grund kann auch als Versuch gewertet werden, sich der Strafverfolgung zu entziehen.

AI 30 Gruppe Kennen LY01 Freigestellt

Vorfälle im Gedächtnisprotokoll festhalten

Ein Gedächtnisprotokoll ist eine Zusammenfassung von bestimmten Ereignissen und dient als Gedächtnisstütze. 

Schreibe das Gedächtnisprotokoll möglichst zeitnah nach dem Vorfall. Wenn es zu (Straf-) Verfahren kommt, dauern diese oft sehr lange und es wird schwer sein, dich an alles genau zu erinnern.

Im Falle einer Festnahme, beschreibe diese und die Haft, sowie was unmittelbar davor passiert ist, also den Anlass für deine Festnahme, im Gedächtnisprotokoll. 

Gedächtnisprotokolle sind zunächst nur für dich selbst gedacht und sollten sicher aufbewahrt werden.

AI 39 Gedaechtnisprotokoll LY01 Freigestellt

Deine Rechte bei einer Festnahme!

Wenn du festgenommen wirst, hast du das Recht auf Auskunft über den Grund deiner Festnahme. Du hast auch das Recht, zeitnah nach deiner Festnahme Zugang zu einem*einer Anwält*in zu bekommen. Du darfst einen*eine Freund*in oder Familienangehörige telefonisch über deine Festnahme verständigen.  

AI 36 Verhoer LY01 Freigestellt

Auf der Polizeistation

Nach einer Festnahme wirst du auf eine Polizeistation gebracht. Wenn du vernommen wirst, kannst du von deinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen! Wenn du unter 18 Jahre alt bist und festgenommen wirst, muss die Polizei eine*n Verteidiger*in (Anwält*in) zu deiner Vernehmung hinzuziehen. 

Du hast das Recht auf zwei erfolgreiche Anrufe (du musst also die Person erreicht haben und mit ihr sprechen können). Informiere daher die Rechtshilfe, Vertrauenspersonen und/oder den anwaltlichen Notdienst über deine Festnahme und über die Vorwürfe gegen dich.

Unter der kostenlosen Nummer 0800 376 386 (Rechtsanwaltlicher Journaldienst) können festgenommene Beschuldigte eines Strafverfahrens jederzeit eine*n Rechtsanwält*in kontaktieren.

Es kann sein, dass die Polizei dich fotografieren bzw. deine Fingerabdrücke und DNA abnehmen möchte. Wenn du das nicht möchtest, sag klar, dass du das nicht freiwillig tun möchtest. Gibst du diese Daten freiwillig heraus, hat die Polizei grundsätzlich eine rechtliche Grundlage, die Daten auch zu verwenden!

AI 33 Polizeistation LY01 Freigestellt

Warum eine Aussageverweigung wichtig sein kann

Eine frühe Aussage ohne Rechtsbeistand/Anwält*in kann Nachteile für dich haben! Als Beschuldigte*r hast du immer das Recht, die Aussage zu verweigern. Du kannst zu den Polizeibeamt*innen einfach sagen: „Ich mache von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.“ 

Denn wenn du beispielsweise sagst, dass du nichts zu dem Thema weißt, nicht vor Ort warst, oder dich nicht erinnern kannst, ist das auch eine Aussage. Nimm dieses Recht in Anspruch bis zu dem Zeitpunkt, wo du in Ruhe und in Kenntnis der Akten mit einem Rechtsbeistand gesprochen hast.

Du bist auch nicht verpflichtet, ein Protokoll zu unterschreiben. Falls du es tust, lies es dir jedenfalls vorher in Ruhe durch.

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Rechtsschutz: Dein Recht auf wirksame Beschwerde!

Wenn deine Rechte verletzt wurden, hast du das Recht, eine wirksame Beschwerde einzubringen.

Bevor du eine Anzeige erstattest oder ein Rechtsmittel erhebst, lass dich jedenfalls rechtlich beraten!  Strafrechtliche Anzeige bei der Polizei bzw. Einbringen einer Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft: Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamt*innen führen derzeit in Österreich selten zu einer Anklage. Oft müssen Anzeigende mit der Einstellung des Strafverfahrens oder im schlimmsten Fall sogar mit einer Gegenanzeige der Polizei mit dem Vorwurf der Verleumdung rechnen.

Nach einem Vorfall hast du sechs Wochen Zeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht das Rechtsmittel einer sogenannten Maßnahmenbeschwerde zu erheben. Eine Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen rechtswidriges Handeln der Polizei, z.B. ungerechtfertigte Gewaltanwendung. Maßnahmenbeschwerden können für Betroffene ein hohes Prozesskostenrisiko bedeuten. Bevor du eine Maßnahmenbeschwerde einbringst, ist es wichtig zu klären, ob die Beschwerde aussichtsreich ist.


Illustrationen: Kathrin Frank

Books
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Das wars fürs erste!

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