Was zeigen die jüngsten Berichte?
2019 gab es massive Protestbewegungen, es wurden 1.500 Menschen auf den Straßen erschossen, Hunderte festgenommen. Laut Amnesty wurden Menschen in Haft gefoltert. Es wird im Iran aber nicht nur körperlich misshandelt, sondern auch psychische Folter angewandt. Das hat in den letzten Jahren zugenommen. Diese Art von Folter hat das Ziel, die Persönlichkeit der Betroffenen zu brechen. Damit sie nie wieder Vertrauen haben, auf die Beine kommen und etwas gegen die Regierung sagen oder tun können. Diese Form von Folter heißt auch „weiße Folter“.
Warum „weiße Folter“?
Ich vermute deshalb, weil bei weißer Folter kein Blut fließt, es kommt zu keiner körperlichen Verletzung. Dennoch ist psychische Folter eine genauso fürchterliche Behandlung wie körperliche Folter, wenn nicht manchmal sogar schlimmer.
Eine der eher neueren Methoden im Iran ist auch die Entführung von Dissident*innen im Ausland und die willkürliche Inhaftierung von Doppelstaatsbürger*innen.
Ich nenne das Politik der Geiselnahme. Ein Beispiel dafür ist die willkürliche Verhaftung von Dr. Kamran Ghaderi und Dr. Massud Mossaheb. Beide hatten zu Beginn keinen Kontakt zu ihren Familien und einer Rechtsberatung. Sie sind nach wie vor unter äußerst schwierigen Bedingungen im berüchtigten Evin-Gefängnis in Haft, leiden unter Vorerkrankungen und haben sich im Gefängnis noch dazu mit Corona infiziert. Wie viele Gefangene erhalten Dr. Ghaderi und Dr. Mossaheb keine adäquate medizinische Behandlung.
Was wollen die iranischen Behörden mit Herrn Mossaheb und Herrn Ghaderi in Haft erreichen?
Wir vermuten, dass ein iranischer Terrorist, der derzeit in Belgien vor Gericht steht, gegen sie ausgetauscht werden soll.
Tausende setzen sich gemeinsam mit Amnesty mit Briefen und Online-Appellen für ihre Freilassung ein. Welchen Stellenwert haben solche Aktionen für die einzelnen Betroffenen?
Viele sind dankbar, dass sie aus der Anonymität geholt werden, dass die Welt ihr Anliegen kennt. Das hat manchmal auch eine Schutzwirkung. Es ist aber auch Genugtuung für sie, dass die Menschen den wahren Grund ihrer Haft kennen.
Ein wichtiger Effekt der Aktionen ist also, dass die Menschen nicht so einfach verschwinden und hinter verschlossenen Türen misshandelt werden können?
Das hilft oft mehr, als wir uns denken können! Ein Beispiel ist Dr. Ahmadreza Djalali (iranisch-schwedischer Wissenschaftler, Anm.). Er stand bereits mehrere Male kurz vor der Hinrichtung. Öffentlicher Druck konnte eine tatsächliche Vollstreckung jedoch bisher verhindern.
Wie siehst du die Zukunft des Iran?
Ich bin Berufsoptimist. Der Iran wird seinen Weg machen. Wenn die Regierung keine Angst vor einem Sturz gehabt hätte, dann hätten wir auch nicht die Anzahl an Hinrichtungen und Folter. Ich sehe die Zukunft daher positiv.