Der Kurdin Verisheh Moradi droht im Iran die Hinrichtung. Ein Revolutionsgericht in Teheran verurteilte die Aktivistin in einem grob unfairen Verfahren wegen mutmaßlicher "bewaffneter Rebellion gegen den Staat" (baghi) zum Tode. Verisheh Moradi erhebt Foltervorwürfe, die bisher nicht untersucht worden sind. Sie hat vor dem Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.
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Die 39-jährige Verisheh Moradi gehört der unterdrückten kurdischen Minderheit im Iran an und ist Mitglied des Verbands "Gemeinschaft der freien Frauen Ostkurdistans" (KJAR). Ihr droht die Hinrichtung, nachdem sie Anfang November 2024 vor der Abteilung 15 des Teheraner Revolutionsgerichts in einem grob unfairen Verfahren zum Tode verurteilt wurde. Aufgrund mutmaßlicher Verbindungen zu kurdischen Oppositionsgruppen wurde sie der "bewaffneten Rebellion gegen den Staat" (baghi) für schuldig befunden. Ihr Rechtsmittel gegen das Todesurteil ist derzeit vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.
Am 1. August 2023 nahmen Angehörige des Geheimdienstministeriums Verisheh Moradi gewaltsam bei sich zuhause in der Stadt Sanandaj (Provinz Kurdistan) fest. Daraufhin fiel sie fast vier Monate lang dem Verschwindenlassen zum Opfer. In dieser Zeit hatte ihre Familie keinerlei Informationen über ihren Aufenthaltsort. In einem Offenen Brief aus dem Gefängnis vom August 2024 berichtet Verisheh Moradi, dass sie bei ihrer Festnahme von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt wurde. Ihren Angaben zufolge wurde sie in einer Haftanstalt des Geheimdienstministeriums in Sanandaj 13 Tage lang in Einzelhaft gehalten. Dort wurde sie laut einer gut informierten Quelle geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, bevor sie etwas später im August 2023 in die Abteilung 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses verlegt wurde. In ihrem Offenen Brief gab Verisheh Moradi an, dass sie dort mehr als vier Monate lang in Einzelhaft festgehalten und ohne Rechtsbeistand verhört worden war. Sie berichtete außerdem, dass sie gefoltert und in anderer Weise misshandelt sowie mit der Hinrichtung bedroht wurde. Damit sollte sie dazu gebracht werden, zu "gestehen", mit Waffengewalt für kurdische Gruppen gegen die Islamische Republik Iran gekämpft zu haben – ein Vorwurf, den Verisheh Moradi bestreitet. Ende Dezember 2023 wurde sie in den Frauentrakt des Evin-Gefängnisses verlegt.
Der Prozess gegen Verisheh Moradi, der in zwei Sitzungen am 16. Juni und 5. Oktober 2024 stattfand, entsprach bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Während der beiden Verhandlungstermine hinderte das Gericht sowohl sie als auch ihren Rechtsbeistand an einer Verteidigung. Erst nach Abschluss der zweiten Anhörung durfte ihr Rechtsbeistand die Fallakte von Verisheh Moradi einsehen. Seit ihrer Festnahme haben die Behörden ein zweites Verfahren gegen Verisheh Moradi eröffnet. Wegen ihres friedlichen Aktivismus im Gefängnis, darunter Proteste gegen die eskalierende Anwendung der Todesstrafe im Iran, ist sie zudem zum Ziel weiterer Vergeltungsmaßnahmen geworden. Nach einem dreiwöchigen Hungerstreik im Oktober 2024 haben sich ihre bereits existierenden Darmprobleme verschlimmert. Der Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung wird ihr jedoch nach wie vor verwehrt. Verisheh Moradi darf seit ihrer Inhaftierung nur sehr begrenzt Kontakt mit ihrer Familie aufnehmen. Seit Mai 2024 darf sie keinerlei Familienbesuch mehr empfangen.
Hintergrund
Seit den Protesten unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" Ende 2022 machen die iranischen Behörden verstärkt von der Todesstrafe Gebrauch, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen. Unter anderem werden vermehrt Todesurteile gegen Angehörige ethnischer Minderheiten verhängt, z. B. gegen Belutsch*innen und Kurd*innen. Am 29. Januar 2024 richteten die iranischen Behörden willkürlich Pejman Fatehi, Vafa Azarbar, Mohammad (Hazhir) Faramarzi und Mohsen Mazloum hin. Bei ihnen handelte es sich um kurdische Dissidenten, die nach einem grob unfairen Verfahren Ende 2023 zum Tode verurteilt worden waren. Auch Frauen werden im Iran derzeit vermehrt auf der Grundlage politisch motivierter Anschuldigungen zum Tode verurteilt. Im Juli 2024 war die Kurdin Pakhshan Azizi in Verbindung mit friedlichen humanitären und menschenrechtlichen Aktivitäten zum Tode verurteilt worden. Sie hatte vertriebenen Frauen und Kindern im Nordosten Syriens geholfen. Ihr wird ebenfalls "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" (baghi) vorgeworfen. Im Jahr 2023 vollstreckten die Behörden mindestens 853 Todesurteile. Angehörige der verfolgten belutschischen Minderheit, die etwa 5 % der iranischen Bevölkerung ausmachen, sind von der Anwendung der Todesstrafe unverhältnismäßig stark betroffen: 20 % aller Hinrichtungen im Jahr 2023 entfielen auf sie. Die iranischen Behörden haben die Exekutionen auch 2024 fortgesetzt und dabei u. a. Angehörige ethnischer Minderheiten und Andersdenkende ins Visier genommen. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.
Im Iran werden ethnische Minderheiten, darunter kurdische Bevölkerungsgruppen, nach wie vor diskriminiert, was Bildung, Beschäftigung, angemessenen Wohnraum und politische Teilhabe betrifft. Regionen, in denen ethnische Minderheiten leben, erhalten nicht genügend staatliche Mittel, was die Armut und Ausgrenzung der dortigen Bevölkerung noch verstärkt. Sicherheitskräfte töteten 2023 rechtswidrig zahlreiche unbewaffnete kurdische Kuriere (kulbar), die Güter zwischen den kurdischen Regionen des Irans und Iraks hin- und hertransportierten. Diese Tötungen gingen straflos aus. Amnesty International hat zudem dokumentiert, dass die iranischen Behörden routinemäßig Angehörige der kurdischen Minderheit willkürlich festnehmen und inhaftieren, nur weil sie tatsächlich oder vermeintlich kurdische Parteien unterstützen oder diesen nahestehen. Die Behörden legen nur selten ausreichende Beweise vor, die auf eine direkte oder indirekte Beteiligung an einer international als Straftat anerkannten Handlung schließen lassen.
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