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Türkei: Keine Abschiebungen nach Eritrea

11. September 2024

Hunderten von Eritreer*innen droht die unmittelbare Abschiebung nach Eritrea, wo sie der Gefahr von Folter, willkürlicher Inhaftierung und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären. Berichten zufolge wurden kürzlich etwa 300 Eritreer*innen, die ohne angemessenen Zugang zu Kommunikation oder rechtlichem Beistand in der Türkei inhaftiert waren, nach Eritrea abgeschoben. Die Behörden müssen alle Pläne für eine Abschiebung eritreischer Staatsangehöriger aus der Türkei sofort einstellen und ihnen gemäß dem Völkerrecht Zugang zu Asylverfahren gewähren.

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Die türkischen Behörden planen offenbar, eritreische Staatsangehörige, die derzeit im Abschiebezentrum Aydın inhaftiert sind, baldmöglichst abzuschieben. Wie ein Mitglied der Zivilgesellschaft Amnesty International mitteilte, wurden in den vergangenen Wochen rund 180 Eritreer*innen aus der Türkei abgeschoben. Die meisten von ihnen sind aktuell in Adi Abeto inhaftiert, einem großen Gefängniskomplex bei Asmara, der Hauptstadt von Eritrea. Weitere 100 Personen sind in den vergangenen Monaten abgeschoben worden. Eritreische Staatsangehörige, die derzeit in der Türkei inhaftiert sind, haben ihre Familienangehörigen in Anrufen und Briefen darüber informiert, dass die türkischen Behörden auch ihre Abschiebung vorbereiten und diese jederzeit erfolgen kann.

Amnesty International geht davon aus, dass die betroffenen Personen keine Gelegenheit hatten, die Abschiebeentscheidungen vor Gericht anzufechten oder in der Türkei um internationalen Schutz zu ersuchen. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen wurden Personen aus der Gruppe der inhaftierten eritreischen Staatsangehörigen außerdem unter unzureichenden Bedingungen festgehalten. So hatten sie keinen Zugang zu Wasser und angemessener Nahrung, die sanitären Einrichtungen waren unzureichend und der Zugang zu Rechtsbeiständen und Telefonen sehr eingeschränkt, was die Kommunikation mit Familienangehörigen und nahestehenden Personen erschwerte. Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit dokumentiert, dass nach Eritrea abgeschobene Personen dort ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und gefoltert wurden, weil es verboten ist, das Land ohne Genehmigung zu verlassen. Die türkischen Behörden müssen alle Abschiebungen von eritreischen Staatsangehörigen nach Eritrea unverzüglich stoppen, da diesen dort schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter drohen.

Hintergrund

Die Türkei ist Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Zusatzprotokoll von 1967. Sie behält sich jedoch einen geografischen Vorbehalt zur Ratifizierung der Konvention vor, so dass nur Bürger*innen aus Mitgliedstaaten des Europarats den Flüchtlingsstatus beantragen können. Personen, die die Voraussetzungen für den Flüchtlingsstatus in der Türkei nicht erfüllen, können einen bedingten Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz nach dem türkischen Ausländer- und Asylgesetz von 2013 beantragen. Der bedingte Flüchtlingsstatus wurde für Menschen aus "außereuropäischen" Staaten geschaffen und bietet eingeschränktere Rechte als die, die im Rahmen des Flüchtlingsstatus gewährt werden.

Amnesty International hat festgestellt, dass die eritreischen Behörden die Beantragung von Asyl im Ausland als Beweis für Hochverrat und als Grund für die Inhaftierung von Personen ansehen, die nach Eritrea zurückgeführt werden. Die entsetzlichen Haftbedingen in Eritrea erfüllen den Tatbestand der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hat festgestellt, dass "eritreische Staatsangehörige, die abgeschoben werden, zahlreichen Berichten zufolge von den Behörden ohne Anklage festgenommen, inhaftiert, misshandelt und manchmal sogar gefoltert werden. Offenbar werden sie ohne Kontakt zur Außenwelt, unter überfüllten und unhygienischen Bedingungen und ohne Zugang zu medizinischer Versorgung festgehalten, auch über längere Zeiträume hinweg." Manchmal könne "für einige Eritreer*innen die Tatsache, dass sie sich außerhalb des Landes befinden, als Grund ausreichen, um bei ihrer Rückkehr Kontrollen, Repressalien und einer harten Behandlung ausgesetzt zu sein. Personen geraten unter Verdacht, Asyl beantragt oder an Oppositionsversammlungen in der Diaspora teilgenommen zu haben oder eine anderweitige (tatsächliche oder vermeintliche) Bedrohung für die Regierung darzustellen, insbesondere wenn sie das Land widerrechtlich verlassen haben." Darüber hinaus stellte die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zur Menschenrechtslage in Eritrea im Jahr 2015 fest, dass "von wenigen Ausnahmen abgesehen alle, die zur Rückkehr in das Land gezwungen wurden, festgenommen und inhaftiert wurden und Misshandlungen und Folter ausgesetzt waren".

Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2016 müssen Deserteur*innen mit langer willkürlicher Inhaftierung, unmenschlichen Haftbedingungen sowie Folter und anderen Misshandlungen rechnen. In Eritrea herrscht eine allgemeine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren. Bis zum Alter von 50 Jahren besteht zusätzlich die Pflicht zur Ableistung von Reservediensten. Für die Dauer des Wehrdienstes gibt es keine festgelegte Beschränkung. Der Wehrdienst dauert zunächst 18 Monate und besteht in der Regel aus einem sechsmonatigen Militärdienst, gefolgt von einem zwölfmonatigen Einsatz im militärischen oder staatlichen Dienst. Häufig wird der Wehrdienst aber auch auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Wehrdienst ist häufig mit Zwangsarbeit oder unfreiwilliger Arbeit in staatlichen Projekten verbunden. Die Wehrpflichtigen verrichten Bauarbeiten in staatlichen Projekten wie dem Straßenbau, arbeiten im öffentlichen Dienst oder in Unternehmen, die dem Militär oder der Führungsschicht der Regierungspartei gehören und von diesen betrieben werden. Sie erhalten minimale Löhne, die nicht ausreichen, um die Grundbedürfnisse ihrer Familien zu decken. Ein großer Teil der erwachsenen Bevölkerung Eritreas ist derzeit im allgemeinen Wehrdienst beschäftigt. Es gibt keine Ausnahmen vom Militärdienst für Militärdienstverweiger*innen und auch keinen Ersatzdienst. Üblicherweise wird die Verweigerung des Militärdienstes mit Haft und Folter bestraft. 

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